Kreisfeuerwehrverband Heilbronn

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"Gelöscht wird nur, wenn es brennt"

von Redaktion HSt

Es ist ein Phänomen: Feuerwehrmänner, die zum Brandstifter werden. In der Region gab es zwei Tatverdächtige. Erst in Untergriesheim, dann in Neckarsulm. Im Gespräch mit Adrian Hoffmann erklärt Frank D. Stolt, Kriminologe und Experte auf diesem Gebiet, die Hintergründe solcher Taten – und welche Rolle dabei der Drang nach Anerkennung spielt.

Welche Motive haben Feuerwehrmänner, die zum Brandstifter werden?

Frank D. Stolt: Wir sprechen über Angehörige der Freiwilligen Feuerwehren. Und in der Tat sind es ausschließlich Männer, vor allem junge. Die Motive sind oft vielfältig. Allerdings gibt es immer wieder ein Hauptmotiv, das sich deutlich abhebt. Wir nennen es sozialer Drang nach Anerkennung. Diese Bezeichnung ist etwas differenzierter wie das oft zitierte Geltungsbewusstsein.

Wie oft kommt der brandstiftende Feuerwehrmann eigentlich vor?

Stolt: Aufgrund von gerichtlichen Verurteilungen gehen wir derzeit von 3000 Brandstiftern bei den Freiwilligen Feuerwehr aus. Bei 1,3 Millionen Mitgliedern in Deutschlands Freiwilligen Feuerwehren liegen brandstiftende Feuerwehrmänner damit im Promille-Bereich. Serienbrandstiftungen aus anderen Motiven sind zahlenmäßig viel häufiger. Werden aber auch viel weniger aufgeklärt, und finden nicht zuletzt auch kein so großes Interesse in den Medien. Betrachten wir also nur die Zahlen, sind Brandstifter bei der Freiwilligen Feuerwehr kein wirkliches Problem. Allerdings ist die Wirkung nach außen für die betroffenen Feuerwehren oft verheerend.

Weil die Öffentlichkeit immer wieder schockiert ist, wenn es dann mal passiert. Warum ist das so?

Stolt: Bei Umfragen zur Bewertung von Berufsgruppen liegen Angehörige der Feuerwehr ganz vorne. Anders als Pfarrer, Journalisten und Politiker. In Deutschland haben wir nur 100 Berufsfeuerwehren mit rund 24.000 Beamten. Die große Zahl der Feuerwehrangehörigen ist im sogenannten Ehrenamt für uns Tag und Nacht neben ihrem eigentlichen Beruf im Einsatz. Übrigens eine ganz tolle Sache!

Es ist nur verständlich, dass der Schock in der Öffentlichkeit sehr tief sitzt, wenn sich herausstellt, dass einer dieser Feuerwehrmänner der gesuchte Feuerteufel ist.

Dieses Phänomen haben wir aber auch bei anderen Berufsgruppen, zum Beispiel der Krankenschwester, die zum Todesengel wird, oder der Seelsorger, der Kinder missbraucht. Die Schlagzeilen und Meldungen sind schnell in den Medien. Leider bleiben die gleichen Medien oft den Hintergrund schuldig. Was bleibt ist der falsche Eindruck, dass die Brandstifter bei der Feuerwehr sind.

Was ist charakteristisch für den brandstiftenden Feuerwehrmann?

Stolt: Wir haben eigentlich ein sehr gutes Täterprofil. Der brandstiftende Feuerwehrmann ist zwischen Anfang 20 bis Ende 20, hat eher durchschnittliche bis unterdurchschnittliche Leistungen in der Schule, ist in seinem Verhalten unauffällig, ist sehr engagiert in der Feuerwehr und - dies ist nicht unwesentlich - zeichnet sich bei den Löscheinsätzen durch Schnelligkeit, Einsatzbereitschaft oder andere besondere Leistungen aus.

Diese jungen Männer sind oft leidenschaftliche Feuerwehranghörige und haben oft nach vergeblicher Suche in anderen Vereinen in der Feuerwehr eine Heimat und Kameradschaft gefunden. Das unterscheidet sie auch grundsätzlich von anderen Brandstiftern. Ihnen geht es nicht um das Zündeln, den Tanz der Flammen oder den Schrecken und die Angst, die sie in der Bevölkerung verbreiten. Ihnen geht es um das Löschen bzw. ihr Engagement dabei. Sie legen Feuer, um sich beim Löscheinsatz beweisen zu können. Im Löscheinsatz haben sie endlich die Chance, anderen zu zeigen, was wirklich in ihnen steckt. Sie sind kein mittelmäßiger Loser am Rand der Gesellschaft mehr. Sie sind die gefeierten und anerkannten „Helden“. Endlich haben sie den Platz in der Gesellschaft, der ihnen vermeintlich zusteht.

Im Grunde wollen diese Männer also nur Helden sein, wie Sie sagen. Woran liegt das?

Stolt: Unsere Gesellschaft liebt die Gewinner und Starken. Und so lieben wir sie auch, die „Männer, die durch Flammen gehen“. Da wünscht sich so mancher junge, charakterlich noch nicht gefestigte Mensch am Rande der Gesellschaft, dass etwas von diesem Glanz auch auf ihn scheinen möge.

Nein, sie wollen nicht unbedingt Helden sein, aber Anerkennung und Beachtung finden. Die Mitarbeit in der Freiwilligen Feuerwehr scheint einigen der richtige Weg zu diesem Ziel.

Doch es gibt ein Problem. Die Brandeinsätze sind in letzten Jahren immer weniger geworden. Hilfeleistungen in allen Lebenslangen bestimmen heute weitestgehend den Feuerwehreinsatz. Beim Beseitigen einer Ölspur mit dem Besen in der Hand wird man aber nicht unbedingt zum Helden. Hier beginnt ein tragischer Kreislauf. Anerkennung finden sie nur durch ihr Engagement im Einsatz beim Löschen, glauben diese jungen Männer. Gelöscht wird nur, wenn es brennt. Also muss es brennen. Dann kann gelöscht werden.

Wie ist dieses Phänomen zu vermeiden?

Stolt: Es ist nicht zu vermeiden. Aber es kann eine Menge dagegen getan werden. Dazu gehört es, nicht dem Sankt-Florian-Prinzip zu verfallen. Es kann jede Freiwillige Feuerwehr treffen. Aus diesem Grund muss vom Kommandanten bis zum einfachen Feuerwehrmann Sensibilität für dieses Phänomen erzeugt werden. Wer kommt zu uns und wie gehen wir mit denen, die kommen, um? Welches menschliche Klima herrscht in unserer Wehr? Haben wir über unsere Technikverliebtheit die Menschen aus den Augen verloren?

Muss das Aufnahmeverfahren, insbesondere bei Freiwilligen Feuerwehren, verändert werden?

Stolt: Leider schlägt sich die Wertschätzung der Arbeit der Feuerwehr nicht in Zahlen der Bereitschaft zur Mitarbeit nieder. In den letzten Jahren sind die Mitgliedszahlen noch nicht dramatisch aber stetig im Rückgang. Hier und da ist zu mindestens tagsüber schon die Einsatzbereitschaft gefährdet. Nach dem Gesetz muss jede Kommune jedoch eine einsatzbereite Feuerwehr vorhalten. So kommt es schon, dass man nicht so genau schaut, wer da so kommt. Und es wird auch schon einmal jemand genommen, den man vor Jahren, als noch eine große Auswahl an Bewerben bestand, nicht aufgenommen hätte.

Auf der anderen Seite bleibt den Führungskräften neben den vielen anderen Verwaltungs- und Leitungsaufgaben kaum Zeit, sich intensiv um die Jungen zu kümmern. Aus diesem Grund ist das Auswahlverfahren nur ein mehr oder weniger formaler Akt. Wichtiger wäre eine wirkliche Integration. Vorstellbar wären sogenannte Tutoren, die selbst noch junge Feuerwehrmänner sind und jedem Neuen zur Seite gestellt werden. Dabei sollen sie ihn bei seinen ersten Schritten begleiten und ihm helfen, frühzeitig mit falschen Vorstellungen aufzuräumen. Vielleicht könnte sich auch zukünftig die Landesfeuerwehrschule in Bruchsal dieses Themas annehmen?

Sehr wichtig ist die Gestaltung des Übergangs von der „Jugendfeuerwehr“ in die Einsatzabteilung. Dieser Übergang sollte nicht nur administrativ vollzogen, sondern auch intensiv menschlich begleitet werden.

Wie sollte sich eine Feuerwehr verhalten, wenn ein Brandstifter aus den eigenen Reihen kommt?

Stolt: Offensiver Umgang nach Außen. Ein Brandstifter im „blauen Rock“ ist eben nicht die Feuerwehr. Diese Wahrheit sollte auf allen Ebenen kommuniziert werden. Aber auch aktiver Umgang mit diesem Problem nach Innen ist gefragt. Was kann besser gemacht werden.

Die Täter sind nach ihrem Auffliegen oft großer Wut der Menschen im Ort ausgesetzt, sitzen in U-Haft, müssen für die entstandenen Schäden aufkommen. Haben Sie sich, wie viele in solchen Fällen flapsig sagen, ihr Leben versaut?

Stolt: Die Täter sind oft noch sehr jung und stehen am Anfang ihres Lebensweges. Es gilt, was für jeden Geltung hat, der straffällig wird. Er muss sich mit seiner Tat und den Opfern auseinandersetzen. Er muss die straf- und zivilrechtlichen Konsequenzen tragen. Aber er hat auch die Chancen und Möglichkeiten, mit den Lehren aus seiner Tat einen anderen Weg zu beschreiten. Dies wird sicherlich kein einfacher Weg sein.

Das Stigma „Brandstifter als Feuerwehrmann“ wird diesen Weg auch nicht gerade erleichtern. Vielleicht hilft der Umgang mit der Schuld jedoch diesen jungen Menschen, auch ihren Platz in der Gesellschaft zu finden, ohne falsches Heldentum. Schnell ist man mit dem Ausschluss und Rauswerfen dabei. Doch auch hier sollte gelten, jeder einzelne Fall und die jeweilige Schwere der Schuld muss für sich bewertet werden. Aber eines ist auch klar: In der Regel wird es kein Zurück in die Feuerwehr geben.

Zur Person

Frank D. Stolt, 55, aus Mannheim ist studierter Brandsachverständiger, Sicherheitsexperte, Polizeiwissenschaftler und Kriminologe. Er ist regelmäßig mit Brand- und Explosionsursachenermittlung im In- und Ausland beschäftigt, Lehrbeauftragter an verschiedenen polizeilichen Aus- und Weiterbildungseinrichtungen sowie am Institut der Feuerwehr in Nordrhein-Westfalen, Fachbuchautor, aktiver freiwilliger Feuerwehrmann und Technischer Fachberater der Feuerwehr Mannheim.