Kreisfeuerwehrverband Heilbronn

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Notruf: "Wir saufen ab"

Obersulmvon Joachim Kinzinger, HSt

"Wir saufen ab“, setzte der heutige Obersulmer Bürgermeister Harry Murso im Feuerwehrhaus den Notruf an die Feuerwehrleitstelle Heilbronn ab. Land unter im oberen Sulmtal vor 30 Jahren am 22. und 23. Mai. Allein im Unwetterzentrum im Raum Eichelberg prasselten an diesen Tagen 196 Liter auf den Quadratmeter nieder.

Die Sulm und ihrer Zuflüsse verwandelten sich in reißende Fluten. Keller wurden überflutet. Autos schwebten an Garagendecken. Die Urgewalt der Fluten schlug eine Bresche in ein kleines Häuschen in Affaltrach. Allein im Katastrophengebiet Obersulm waren an diesen beiden Tagen 180 Feuerwehrmänner pausenlos im Einsatz.

„Es schüttete und schüttete, das Wasser stieg immer höher“, erinnert sich der damalige Obersulmer Kämmerer Murso. Bange Minuten musste eine Erzieherin in Eichelberg überstehen. Der überflutete Wilhelmsbach kreiste den Kindergarten ein. Gießbäche zwängten sich durch die Türspalten. Helferinnen stellten 32 Kindergartenkinder auf die Heizkörper. Dann kam die Rettung: Rotkreuzler trugen die Kinder durch den angestauten See zu einem Kleinbus. Die Affaltracher Grundschulkinder wurden von den Feuerwehrleuten aus der Halle evakuiert. In der Oststraße in Willsbach verursachte das Unwetter massive Gebäude- und Inventarschäden.

Breitenau-Becken

Zum Glück hatte der Wasserverband Sulm das Breitenau-Becken gebaut. „Wenn der Breitenauer See nicht gewesen wäre, hätte die Katastrophe größere Ausmaße angenommen“, sagte damals Hubertus Trost vom Heilbronner Wasserwirtschaftsamt. 20 000 Kubikmeter Wasser ergossen sich stündlich vom Becken Nonnenbach bei Weiler ins Becken. 800 000 Kubikmeter Wasser (21 Hektar) hielt das größte Becken in der Region zurück. Murso: „Das hat geholfen.“

Die damalige „Jahrhundertflut“ gefährdete auch den Industriestandort Neckarsulm. In der Nacht zu Fronleichnam 1978 drohte wie 1970 die Stunde Null, als das Audi-Werk überflutet wurde: Neckarrückstau und Sulm-Flut. Der Neckardamm drohte zusammenzubrechen. Feuerwehrmänner türmten 4000 Sandsäcke, tonnenweise Sand und Beton auf. Der 20-Millionen-Mark teure Sulm-Damm bestand seine Bewährungsprobe. „Ohne Damm und Dole wären wir wieder abgesoffen“, sagte der damalige Neckarsulmer Oberbürgermeister Dr. Erhard Klotz.

Hochwasserfront

Die Lage an der Hochwasserfront spitzte sich auch in anderen Kommunen zu. Im Kreis Heilbronn standen 250 Häuser, davon viele in Lauffen und Bad Friedrichshall, unter Wasser. Überflutet waren Kläranlagen und Freibäder. In Horkheim gingen 200 Hektar Gemüse buchstäblich unter. Ein Opfer war zu beklagen: Ein junger Landwirt aus Pfedelbach erlitt beim Hantieren mit einer Elektropumpe einen tödlichen Stromschlag.

Die erste Bilanz im Stadt- und Landkreis: 25 Millionen Mark Schaden an Gebäuden, Inventar, 1000 Hektar Grünland ruiniert. Obersulm listete Schäden an Gemeindeeinrichtungen von 1,15 Millionen Mark auf. Wenige Wochen später am 17. und 23. Juni zog erneut eine Gewitterfront im Sulmtal auf. Wiederum schoss das Wasser aus dem Durchlass durch das Anwesen einer Familie in der Willsbacher Ortsstraße. „Wir können nicht mehr ruhig schlafen“, sagte ein Mann geschockt. Zum dritten Mal stand die Flut innerhalb eines Monats über einen Meter hoch im Untergeschoss.

Bild 1: Auch Hauptstraßen verwandelten sich in reißende Fluten. Autos tanzten in Affaltrach auf den Wellen. In viele Häuser lief das Wasser.Bild 2: Mit dem Schlauchboot retteten die Hilfskräfte viele Anwohner.Bild 3: Feuerwehrleute spritzten zentimeterdicke Schlammschichten weg.Bild 4: Der Müll stand nach dem Hochwasser in Willsbach vor der Haustür.(Fotos: Gemeinde Obersulm)