Kreisfeuerwehrverband Heilbronn

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Mutmaßlicher Brandstifter von Gundelsheim half beim Feuer löschen

Gundelsheimvon Adrian Hoffmann, HSt

Das Gericht hat nun Haftbefehl gegen einen 31-Jährigen aus Tiefenbach erlassen, dem die Serie von Brandstiftungen zu Last gelegt wird. In Gundelsheim und Tiefenbach sind viele erleichtert, innerhalb der Feuerwehr aber auch bestürzt.

Eine Serie von Brandstiftungen hält Gundelsheim seit Monaten in Atem. Nun könnte sie ein für alle Mal zu Ende sein. Ermittler haben am Montag einen 31-jährigen Mann in seiner Wohnung festgenommen, dem die Serie zu Last gelegt wird und der nach Angaben der Heilbronner Staatsanwaltschaft bereits mehrere Taten gestanden hat.

In Gundelsheim und Tiefenbach herrscht Erleichterung, doch innerhalb der Feuerwehr ist das Entsetzen groß. Der mutmaßliche Brandstifter gehört der Feuerwehr an. Nach Angaben von Polizei und Staatsanwalschaft half er auch dabei mit, die von ihm gelegten Feuer zu löschen. Nach Informationen unserer Zeitung kommt der Beschuldigte aus Tiefenbach und soll in den vergangenen Wochen gemeinsam mit anderen Bürgern vor Ort unterwegs gewesen sein, um den Brandstifter endlich zu fassen.

Kollektives Schweigen innerhalb der Feuerwehr

Gundelsheims Feuerwehr-Kommandant Tobias Gärtner sagte am Dienstag, er möchte sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht äußern. Kollektives Schweigen herrscht auch bei Feuerwehrleuten in Tiefenbach.

„Das ist der Albtraum für jede Feuerwehr“, sagt Feuerwehr-Kreisverbandsvorsitzender Reinhold Gall. Da könnten die Umfragen in der Bevölkerung über das Ansehen der Feuerwehr noch so gut sein. „Das tut weh. Es legt sich wie ein Schatten über die gute Arbeit der Feuerwehren.“ Es sei ein Dilemma, „auch wir können nicht in Köpfe schauen“, so Gall weiter. In der Gundelsheimer Feuerwehr werde der Prozess bei der Einstellung von Mitgliedern sehr ernst genommen.

Zum Motiv des Tatverdächtigen macht die Polizei keine Angaben. „Dazu hält sich unsere Kripo bedeckt, bis die Ermittlungen entsprechend weit sind“, sagt Polizeisprecher Carsten Diemer. Zuletzt hatte am Samstag um 2 Uhr in der Nacht ein Auto der Marke Chrysler in der Dornbacher Straße in Tiefenbach gebrannt. Danach sei der Tatverdächtige „zunehmend in den Fokus der Ermittler geraten“, heißt es in einer Mitteilung der Polizei.

Anwohner sehnen sich nach Ruhe und Sicherheit

„Für alle hier ist das eine klasse Nachricht“, sagt Nermin Doracic, der mit seiner Familie in Tiefenbach lebt - und damit ganz in der Nähe von manchen der Brandorten. „Hoffentlich bringt uns das jetzt Ruhe und Sicherheit zurück.“ Er könne wieder ruhigen Gewissens seine Autos auf der Straße stehen lassen, anstatt sie in der Garage zu parken. „Ich möchte der Polizei einen ganz großen Dank aussprechen“, so Doracic weiter. Er sei in der Nacht, als oberhalb des Dorfes die Strohballen brannten, selbst von Polizisten auf der Straße befragt worden - da er gerade auf dem Heimweg von der Nachtschicht gewesen sei.

Eine Spaziergängerin in Tiefenbach sagt, sie verstehe, dass diese Ergebnis der Ermittlungen natürlich für die Feuerwehr schädlich sei. „Aber man lebt hier im Ort einfach ruhiger, wenn man weiß, dass nichts mehr kommt.“

Es sei wichtig, erst weitere Informationen abzuwarten, sagt Gundelsheims Hauptamtsleiter Oliver Schölzel. „Wir sind froh, dass die Ermittlungen zum Erfolg geführt haben“, sagt er. Dass es sich beim mutmaßlichen Brandstifter um einen Feuerwehrmann handle, „ist natürlich schwierig für die Feuerwehr“.

Hoher finanzieller Schaden

Ein zwölfköpfiges Ermittlerteam der Kriminalpolizei arbeitete zuletzt an der Aufklärung der Brandserie, die mehrere Monate andauerte und viele Menschen in und um Gundelsheim herum verunsichert hat.

Bei der Brandserie waren an unterschiedlichen Orten und zu unterschiedlichen Tageszeiten Gebäude und Fahrzeuge, aber auch Hecken und Strohballen in Flammen aufgegangen. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft entstand ein Gesamtschaden von mehreren Hunderttausend Euro. Menschen wurden nicht verletzt.

Kommentar: Albtraum

Auf der einen Seite herrscht eine riesige Erleichterung in Gundelsheim und seinem Teilort Tiefenbach sowie der näheren Umgebung. Auf der anderen Seite ist die Bestürzung in der Feuerwehr groß. Ausgerechnet das ist eingetreten, was am Anfang bloß Geschwätz im Ort war, später vielleicht ein vages Bauchgefühl, am Ende tatsächlich Realität. Es gibt so viele eifrige Feuerwehrleute, die durch so etwas die in der Außenwahrnehmung von manchen Menschen in Kollektivhaftung genommen werden. Nach dem Motto: War ja klar, hab ich gleich gesagt, es ist einer von der Feuerwehr.

In diesem Zusammenhang hören Feuerwehrleute vermutlich nur ungern, dass die deutliche Mehrheit von ihnen unter großem Einsatz Menschen rettet. Am liebsten würden sie eine Weile lang gar nichts hören. Das aktuelle Schweigen in den Feuerwehren vor Ort ist verständlich. Manche haben es wohl befürchtet, dass es so kommt - und sich bei jedem weiteren Einsatz draußen in der Nacht gefragt: Steht da einer neben mir, der das Feuer selbst gelegt hat?

Die Situation in Gundelsheim ist, wie Feuerwehr-Kreisverbandschef Gall sagt, der Albtraum für jede Feuerwehr. Je länger solche Serien anhalten, umso größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass das Motiv in einem Bedürfnis nach Aufmerksamkeit und einem Drang nach sozialer Anerkennung zu finden ist. Statistisch betrachtet sind Feuerwehrmitglieder aber nur im Promillebereich für Brandstiftungen verantwortlich. Möglicherweise kann sich das jeder Einzelne klarmachen, bevor er ein vorschnelles Urteil darüber fällt, welches Bild er von unserer Feuerwehr haben möchte.

Info

Jedes Jahr werden in Deutschland laut Kriminalstatistik ungefähr 20.000 Fälle von Brandstiftung polizeilich erfasst. Im Jahr 2019 waren es demnach 19.985. Nach Angaben des deutschen Fachverbands der Feuerwehren DFV sind nur zirka 0,03 Prozent aller Brandstiftungen auf Feuerwehrleute rückführbar. Das betont auch Feuerwehr-Kreisverbandschef Reinhold Gall. In Gundelsheim seien die Sinne für die Thematik geschärft gewesen, sagt Gall. Wichtig sei nun Transparenz. Sein Appel an die Menschen sei, „dass das Grundvertrauen in die Feuerwehr erhalten bleibt.“