Kreisfeuerwehrverband Heilbronn

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Feuerwehr-Chef: 'Das sind vermeidbare Tote'

Möckmühlvon Adrian Hoffmann, HSt

Regelmäßig kommt es auf den Autobahnen in der Region zu tödlichen Unfällen, weil Autos auf parkende Lkws auffahren - so wie letzten Freitag bei Widdern. Möckmühls Feuerwehr-Kommandant Uwe Thoma fordert ein Eingreifen der Politik

Erneut ein tödlicher Unfall beim Auffahren auf einen parkenden Lkw -diesmal auf der A81 bei Widdern, in der Einfahrt zur Rastanlage Jagsttal. Geschehen in der Nacht auf Freitag vor einer Woche.

Schon im Januar diesen Jahres kam es auf der A6 zu einem schrecklichen Unfall, bei dem zwei Menschen in ihrem Auto verbrannt sind.

Im Interview mit Adrian Hoffmann vor Ort an der Unfallstelle fordert Möckmühls Feuerwehr-Kommandant Uwe Thoma (54) ein Eingreifen der Politik.

Wie ist das für Sie als erfahrener Feuerwehrmann, wenn Sie sowas sehen?

Uwe Thoma: Wir sind jetzt schon zum vierten Mal hier gewesen. Drei Mal waren es identische Unfälle. Zwei mal haben wir Todesopfer beklagt. Es tut weh, dass sich so etwas immer wiederholt. Leider gerät alles in Vergessenheit. Es ist so ähnlich wie mit den Rettungsgassen, die nicht gebildet werden. Da läuft ja gerade wieder eine Kampagne. Aber zu alles zuparkende Lkws an Raststätten, da gibt es keine Kampagne.

Würden Sie eine Kampagne für nötig halten?

Thoma: Ja klar. Das sind doch vermeidbare Tote. Wenn die Lkw-Fahrer abends ankommen, ist der hintere Parkplatz meist schon voll. Die ganze Anlage ist Stand 70er Jahre, es gibt viel zu wenig Platz für den heutigen Lkw-Verkehr. Folglich fahren die Lkw dann wieder zurück und können nur noch auf die Spur, die parallel zur Raststätte verläuft und wieder auf die A81 führt. Vorne parkt dann der erste. Und die nachkommenden Lkw docken an. So baut sich das auf und geht immer weiter zurück. Eine Raststätte weiter ist es dasselbe. Meines Wissens fährt die Polizei hier immer wieder entlang und verhängt Bußgelder.

Es heißt gerne mal: Die Polizei kontrolliere eher Anwohner, die unerlaubt die Autobahn über die Rastanlage verlassen. Könnte die Polizei nicht mehr machen wegen der Lkw-Fahrer?

Thoma: Es ist nicht ihre originäre Aufgabe. Auf der Autobahn sowieso nicht. Die Polizisten haben Arbeit genug. Ich sehe keinen Grund, die Polizei zu kritisieren. Da sind die besten Leute auf der Straße unterwegs, und die müssen dann Lkws kontrollieren. Mit einer Kampagne könnte man mehr erreichen. Die Lkws müssen einfach weg.

Wo sollen sie denn hin?

Thoma: Das ist die Frage. Man muss mehr Ausweichplätze für sie schaffen. Hier sind alle gefordert. Bund, Land, Kommunen. Auch die Kommunen, die diese Lkws ja auch oft nicht mehr haben wollen in ihrem Gemarkungsgebiet. Sie weisen Plätze aus mit Lkw-Verbot. Selbst im Industrie- und Gewerbegebiet werden Halteverbote ausgesprochen, damit die nachts dort nicht parken.

Die Kommunen müssten Ihrer Ansicht noch offener sein?

Thoma: Es müssten einfach alle an einem Strang ziehen. Aber natürlich ist auch klar: Als Lkw-Fahrer kann man so wie bei diesem Unfall nicht parken. Zwei Ausfahrten weiter wäre der Audi-Fahrer daheim gewesen. Es ist sehr traurig.

Sie fordern auch, dass Autofahrer langsamer in Rastanlagen einfahren. Was kann man kurzfristig machen?

Thoma: Zwei schnelle kurzfristige Möglichkeiten sehe ich hier an der Rastanlage. Man könnte auf der linken Seite der Einfahrt und Parallelspur einfach ein Parkverbot aussprechen. Ein absolutes Parkverbot. Noch eine Zickzacklinie hinmalen. Und ab der Einfahrt zur Anlage sollte man die Geschwindigkeit auf 60 Stundenkilometer reduzieren.

Wie ist es aktuell?

Thoma: Es ist nicht geregelt. Sie fahren ab und können die gleiche Geschwindigkeit beibehalten.

Hätte der Unfall aus Ihrer Sicht jedem Autofahrer passieren können? Selbst Ihnen?

Thoma: Wir wissen nicht, was in dem Moment war. War der Fahrer abgelenkt? Musste er tanken? Wie auch immer: Vermutlich hatte er die Gedanken woanders. Trotzdem: Vor Ihnen taucht ein unbeleuchteter Lkw auf. Und dann wollen Sie noch reagieren? Es hätte jedem passieren können.

Wie sehr belastet dieses Geschehen Sie als Feuerwehrmann und Ihre Feuerwehr-Kameraden?

Thoma: Wir hatten in dieser Woche einen weiteren Todesfall. Unterhalb der Autobahn ist jemand mit seinem Auto auf einen Verkehrspfeiler gefahren und verbrannt. Zwei Tote in einer Woche, das zehrt schon an der Substanz, bei uns allen, ganz klar.

Besprechen Sie das miteinander?

Thoma: Nach Nachteinsätzen wie diesem bleiben wir immer noch ein bisschen auf, sitzen beisammen, reden darüber. Wenn jemand psychologische Betreuung will, geht das jederzeit. Man kann auch alleine zu mir kommen - ohne, dass die anderen das mitbekommen.

Wird auch besprochen unter den Feuerwehrleuten, dass sich da endlich etwas ändern muss?

Thoma: Natürlich. Alle machen sich Gedanken. Das sieht jeder bei uns in der Feuerwehr, dass da jeder Tote einer zu viel ist. Die A 81 hat keine Geschwindigkeitsbegrenzung, dementsprechend schwer fallen die Unfälle aus. Der einzige Vorteil aus unserer Perspektive: Wir kennen selten ein Opfer.

Haben Sie Verständnis für die Lkw-Fahrer?

Thoma: Ja, habe ich. Manche Lkw-Fahrer, Deutsche vor allem, haben ja schon eine Abschaltvorrichtung drinnen. Wenn die ihre Pause einhalten müssen, werden sie daran erinnert. Wenn sie dann anhalten, können sie nicht einfach weiterfahren. Nur immer ein paar Meter. Wenn sie die Abschaltvorrichtung ignorieren, wird das sofort weitergemeldet und steht im Fahrtenschreiber drin. Die Lkw-Fahrer haben es nicht einfach. Noch mal: In diesem Fall ist es aber anders. Er hätte dort niemals parken dürfen.

Dann auch noch unbeleuchtet. Haben Sie eine Erklärung dafür?

Thoma: Er war halt irgendwann da, musste wahrscheinlich noch auf die Toilette. Hat sich für die Nacht fertiggemacht. Wollte vielleicht Batterie sparen und hat vielleicht nicht im Hinterkopf gehabt, dass er an einer so gefährlichen Stelle steht. Und hat gedacht: Ich stehe auf einer Raststätte und mache das Warnblinklicht aus. Die Warnblinkanlage ist nervig, sie tackt ja die ganze Nacht. Es ist schon brutal: Hätte er diesen einen Schalter gedrückt, wäre der Autofahrer noch am Leben.