Kreisfeuerwehrverband Heilbronn

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Deutliche Defizite bei Feuerwehr aufgezeigt

Neckarwestheimvon Rolf Muth, HSt

Die Neckarwestheimer Feuerwehr mit ihrer schlagkräftigen Truppe muss mit wenig Platz und vielen Defiziten zurechtkommen. Fachingenieure entwerfen zurzeit den Vorentwurf für die dringend erforderliche Sanierung.

Alarm. Wie die Hornissen schwärmen die Neckarwestheimer Feuerwehrleute ins Magazin. Dichtes Gedränge im Mannschaftsraum. Geordnetes Chaos. Männlein, Weiblein - bunt gemischt. Die Hilfsfrist beträgt zehn Minuten. Dann müssen die freiwilligen Helfer vor Ort sein. So wie am vergangenen Sonntag.

Mitten in der Nacht, gegen ein Uhr, explodiert ein Kondensatorbehälter im Stromumrichterwerk der Deutschen Bahn. Die Neckarwestheimer Floriansjünger und die Lauffener Kollegen werden zeitgleich über die Schleifen informiert. Während die Alarmierung bestens geregelt ist, die Löscharbeiten zügig von der Hand gehen, jeder seine eingeübte Rolle hat, herrscht im Neckarwestheimer Magazin qualvolle Enge. Die 45 Männer treten sich im 56 Quadratmeter großen Mannschaftsraum gegenseitig auf die Stiefel. Sieben Frauen leisten zudem ihren freiwilligen Dienst bei dieser Wehr. Eine eigene Umkleide? Fehlanzeige. Das 1990 gebaute Magazin hat nicht nur diesen Mangel.

Feuerwehrbedarfsplan unterstreicht Nachholbedarf

Die Liste der Defizite, die die Führung um Kommandant Marc Weinert zusammengestellt hat, ist lang. Im von Kreisbrandmeister Uwe Vogel abgesegneten Feuerwehrbedarfsplan werden die vorhandenen Schwächen ebenfalls deutlich: Kommen die Kameraden und Kameradinnen aus dem Einsatz zurück, fehlt die sogenannte Schwarz-Weiß-Trennung. Nach einem Einsatz ist eine Dekontamination in einer Schleuse nicht möglich. Diese gibt es in Neckarwestheim schlichtweg nicht.

Bei der Dekontamination geht es in diesem Fall nicht um Strahlung im Atomdorf, sondern zunächst um scheinbar harmlosen Staub und Ruß aus dem Einsatz. Die Partikel, die an der Kleidung, in den Haaren, an der Gesichtshaut haften, sind aber unter Umständen hochgradig giftig. „Die Uniformen werden in einer Spezialwaschmaschine bei den Kollegen in Lauffen gewaschen“, sagt Weinert.

Eiskaltes, rostiges Wasser zum Waschen

Einsatzrückstände schleppt man jedoch womöglich nach Hause. Dieser Umstand ist den Wehrleuten, der Verwaltung und dem Neckarwestheimer Gemeinderat bekannt. Ebenso, dass die einzige Waschgelegenheit im Haus streikt. Seit 15 Jahren ist der 28-jährige Weinert Feuerwehrmann im Ort: „Die Dusche hat noch nie funktioniert.“ Zuerst kommt der Rost. Das Wasser? Eiskalt. Nach einer halben Stunde kann man erahnen, dass Heizung und Boiler ihr Möglichstes versuchen.

Die 227 Quadratmeter große Fahrzeughalle - eine weitere Baustelle: Der alte Mannschaftstransportwagen wird ausgetauscht. Das ist längst beschlossene Sache. Im April soll er geliefert werden. Doch Platz vier, hier steht auch das Fahrzeug für die Jugendwehr, ist umstellt von Lagermaterial. Sobald und falls die Wehr für das alternde LF8 zwei Nachfolgefahrzeuge bekommt, muss dieser vierte Stellplatz für den schnellen Einsatz geräumt sein. Und: Die Abgasabsaugung für die Lkw funktioniert nur halbherzig.

Nur ein kleines Notstromaggregat

Das einzige und recht kleine Notstromaggregat ist gerade mal in der Lage, im Falle eines Stromausfalls den Funkbetrieb aufrecht zu erhalten. Die Heizung, die auch für den benachbarten Bauhof konzipiert ist, muss dringend überprüft werden. Die Elektrospeicheröfen sind am Ende ihrer Tage angekommen.

Summa summarum bedeutet das laut Bürgermeister Jochen Winkler eine Investition von 500 000 bis 750 000 Euro - grob geschätzt. Ihm und seinen Räten ist die Mängelliste bewusst. Mit einem Baubeschluss im Herbst Abhilfe zu schaffen, ist ihm ein wichtiges Anliegen. Zurzeit sind die Fachingenieure dran, den Vorentwurf zu erarbeiten. Der Lagerplatz des Bauhofes vis-à-vis des Magazins könnte künftig Standort für eine 160 Quadratmeter große Leichtbauhalle sein, in der Lagermaterial und das Fahrzeug der Jugendwehr unterkommen. Das Magazin wird räumlich neu konzipiert, der Mannschaftsraum erweitert, 20 Schränke sind für Frauen und 66 für Männer vorgesehen, zudem zwei beziehungsweise vier Duschen.

Wehr in Zahlen

Die Neckarwestheimer Feuerwehr hat 23 Einsätze im vergangenen Jahr geleistet. Tendenz steigend. 52 Aktive leisten ihren Dienst, davon sind sieben Frauen. Über 50 Prozent der Aktiven stammen aus der Jugendwehr. Das spricht für eine effektive Jugendarbeit. Neun Jugendliche gehören derzeit der Jugendabteilung an, die eigene Räume mit Spinden, aber auch Platz fürs Billard- und Dartspielen hat.

Mitte 2019 könnte es den Förderbescheid geben, danach die Sanierung erfolgen. Die Feuerwehr wünscht sich „eine zeitgemäße Ausstattung insgesamt“, formuliert Feuerwehrchef Marc Weinert sehr bescheiden seine Forderung.

Teurer Atemschutz, eine Top-Sicherheitskleidung – für den Einsatz sind die Wehren landauf, landab gut ausgerüstet. Doch was kommt nach dem Einsatz? In Neckarwestheim gibt es keine Schleuse, wo sich die Aktiven entkleiden und von Schmutz und Ruß reinigen können. Nicht einmal die einzige Dusche funktioniert. Das ist nicht nur in einem Ort, der 30 Millionen Euro auf der hohen Kante hat, eine Zumutung. Die Sanierung des Magazins ist überfällig. Wertschätzung einer Truppe, die bei jedem Einsatz Gesundheit und Leben riskiert, das auch noch freiwillig und kostenlos für die Allgemeinheit, sieht anders aus. Sicherlich haben Verwaltung und Rat die Feuerwehr in der Vergangenheit wohl nicht absichtlich recht kurz gehalten. Zum reibungslosen Feuerwehralltag gehören jedoch nicht nur tolle Fahrzeuge. Vielleicht muss auch die Wehr etwas lauter formulieren, wo es klemmt.

Wenn der Partner aus dem Einsatz zurückkommt, nach Rauch stinkt, dann hängen ihm Partikel an, etwa hochgiftige Dioxine, die nach dem Löscheinsatz nicht nur im Magazin verteilt, sondern mit ins Schlaf- oder Kinderzimmer getragen werden. Kontaminationsverschleppung nennt man das.

Dass die Absaugtechnik in der Fahrzeughalle nicht richtig funktioniert, nur ein kleines Notstromaggregat zur Verfügung steht, rundet das verheerende Bild ab. Verwaltung und Gemeinderat sind in der Pflicht, der Feuerwehr mit einer anständigen Sanierung Respekt zu erweisen. Die erforderliche Konsolidierung des Haushalts darf in diesem Fall als Argument gegen eine solide Sanierung nicht herhalten.