Kreisfeuerwehrverband Heilbronn

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Ist die Feuerwehr fit für die Zukunft?

Landkreis Heilbronnvon Deutscher Feuerwehrverband

Rede des DFV-Präsidenten Hans-Peter Kröger zum 4. Verbandstag / 54. Delegiertenversammlung

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kameradinnen und Kameraden,

wenn es einem gut geht, denkt man nicht an die Zukunft.

Der Aufschwung greift. Viele Menschen kommen wieder in Lohn und Brot. Hinter uns liegt ein zeitweise geradezu euphorisches WM-Jahr. Und vor uns vielleicht ein weiterer Super-Sommer, wenn dieser Frühling und die Blütenpracht der Bundesgartenschau die Boten dafür sind.

Meine sehr geehrte Damen und Herren,

gute Nachrichten können schnell den Blick auf das Notwendige verstellen. Wer denkt noch an das Ausmaß des Orkans Kyrill im Januar mit bundesweit fast 70.000 Feuerwehr-Einsätzen? Mit zwei getöteten Kameraden und 30 verletzten Feuerwehrangehörigen? Wem steht die Gefahr durch den internationalen Terrorismus vor Augen, der auch uns hier in Deutschland treffen kann? Wie beunruhigt uns die bundesweit außergewöhnliche Waldbrandgefahr?

Haben wir uns ausreichend auf die Herausforderungen für die Feuerwehren vorbereitet? Tun wir genug, um den schleichenden Verlust von jährlich etwa einem Prozent unserer aktiven Einsatzkräfte in den Freiwilligen Feuerwehren entgegen zu wirken? Nutzen wir alle Möglichkeiten, die Rahmenbedingungen für unsere Arbeit zu verbessern? Zeigen wir die dafür unabdingbare Geschlossenheit?

Kurzum: Sind wir für die Zukunft richtig aufgestellt? Sind wir fit für die Zukunft?

Die Eingangs von mir zitierte irische Volksweisheit trifft es auf den Punkt: wenn es einem gut geht, denkt man nicht an die Zukunft. Oder wie ich es an anderer Stelle formuliert habe: Wir müssen uns kratzen, bevor es uns juckt. Wir müssen jetzt die Zukunft gestalten! Dabei soll uns die heutige 54. Delegiertenversammlung ein Stück weiterbringen.

Erst vor einem halben Jahr haben wir uns in diesem Kreis in Büsum getroffen. Das zentrale Zukunftsthema war der Brandschutz im Zivilschutz. Wir haben klar gemacht, dass der Brandschutz integraler Bestandteil eines wirkungsvollen erweiterten Katastrophenschutzes ist und dass sich der Bund auch künftig in der Fläche engagieren muss. In einer gemeinsamen Anstrengung haben die Gremien des DFV und seine Mitgliedsorganisationen diesen Forderungen Gewicht gegeben.

Nicht unerwähnt lassen möchte ich den Schulterschluss mit der Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren, die in Sachen Zivilschutz über den Deutschen Städtetag initiativ war und sich ebenfalls ausführlich fachlich positioniert hat. Wir haben unser Vorgehen zu den Bundesleistungen im Katastrophenschutz aufeinander abgestimmt und auch darüber hinaus eine enge Zusammenarbeit mit der AGBF vereinbart, um für beide Seiten die fachliche und politische Schlagkraft zu erhöhen. Ich denke, wir sind auf einem guten Weg, Herr Knorr – für Ihre Offenheit als neuer AGBF-Vorsitzender danke ich Ihnen sehr!

Das Zwischenergebnis in Sachen Bundesleistungen jedenfalls macht Mut. Es kann die Grundlage für einen nachhaltigen Erfolg sein. Der für Feuerwehrangelegenheiten federführende Arbeitskreis V der Innenministerkonferenz hat ein Konzept entwickelt, bei dem der Bund auch künftig Löschfahrzeuge in nennenswerter Anzahl zur Verfügung stellt. Jetzt ist es an uns, dieses Konzept zu stärken und dem Bund entsprechende Investitionen abzuverlangen.

Ich habe Herrn Innensenator Dr. Körting eingeladen, damit er uns als Vorsitzender der Innenministerkonferenz aus erster Hand berichten kann, wie der Sachstand ist und wo wir unterstützen können. Wir sind gespannt auf Ihre Ausführungen, Herr Dr. Körting!

Ein weiteres Zukunftsthema, für das wir uns heute hier Input erhoffen, ist die Vertretung unserer Interessen in der Europäischen Union. Wir freuen uns auf Ihr Impulsreferat zur Zukunft der EU, Herr Dr. Vogel. Der Präsidialrat hat gestern das Vorhaben des Präsidiums bestätigt, ein Kontaktbüro in Brüssel einzurichten.

Unser Ziel ist es, eine Informationsplattform aufzubauen, um Entwicklungen festzustellen, diese zu begleiten und die Erkenntnisse den Verbänden zur Verfügung zu stellen. Wir wollen frühzeitig Einfluss nehmen und an Projekten mitwirken.

Eine strategische Allianz mit dem Österreichischen Bundesfeuerwehrverband wird uns dabei helfen. Bei einem Arbeitstreffen der beiden Präsidien haben wir dieses und viele weitere Themen besprochen, bei denen wir an einem Strang ziehen – von der Mitarbeit im internationalen Feuerwehrverband CTIF bis hin zur Umsetzung der Fw DV 100 auch in Österreich.

Für unser Kontaktbüro in Brüssel hoffen wir auch auf die Zusammenarbeit und gemeinsame Finanzierung einer Feuerwehrvertretung mit der AGBF und mit der vfdb. Dazu haben wir erste Gespräche geführt.

Da wir zunächst aber mit den vorhandenen Haushaltsmitteln auskommen müssen, erfolgt die Präsenz aus dem Personalstamm der Bundesgeschäftsstelle heraus, und wir erhalten kostenlos ein Büro in einer Landesvertretung. Meinem ständigen Vertreter Ralf Ackermann möchte ich an dieser Stelle sehr für seinen Einsatz als „Außenminister“ des DFV danken. Er bewegt eine Menge!

Gleiches gilt für alle Mitglieder des Präsidiums, des Präsidialrates und unserer Fachbereiche sowie für die hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Die Delegiertenversammlungen 2007 und 2008 finden für unser Verbandskalendarium ungewöhnlich früh statt. Seit Büsum ist gerade ein halbes Jahr vergangen. Ein halbes Jahr, in dem wir das Pensum fast eines ganzen Jahres leisten mussten und auch leisten wollten.

Über die Baustellen Zivilschutz und Europa habe ich berichtet. Weitere Schwerpunkte wie die Neukonzeption in der Zivil-militärischen Zusammenarbeit und die Eröffnung unserer Feuerwehr-Jahresaktion „Frauen am Zug“, mit der wir neue Mitglieder für den Einsatzdienst begeistern wollen, finden am heutigen Tage noch ihren Niederschlag.

Wir arbeiten an steuerlichen Verbesserungen für das Ehrenamt und für die Verbände, und wir nutzen dazu die Dynamik der Gemeinnützigkeitsreform. Die Präsenz des DFV in Berlin wird beachtet, und auch hier ist es an uns, unsere Forderungen nachdrücklich und mit einer Stimme zu kommunizieren.

Wir nehmen uns der Interessen unserer hauptamtlichen Kolleginnen und Kollegen in den Freiwilligen Feuerwehren an. Ihnen drohen durch die Überleitung in den neuen Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst empfindliche Einbußen in der Altersversorgung. Umfassende Information und eine Fristverlängerung für die Eigenvorsorge wären hier die ersten Schritte, die gegangen werden müssen. Das Zusammenspiel zwischen Haupt- und Ehrenamt muss funktionieren, damit unser System der Freiwilligen Feuerwehren auch künftig leistungsfähig ist. Deshalb nützt es niemandem, wenn hauptamtliche Wachbereitschaften durch nachteilige Beschäftigungsbedingungen ausbluten.

Um unsere Freiwillige Feuerwehren personell leistungsfähig zu erhalten, haben wir weiter am Projekt „Mädchen und Frauen in den Freiwilligen Feuerwehren“ gearbeitet. Es freut mich, dass eine Reihe von Landesverbänden im Rahmen des Projektes mit vielfältigen Ideen eigene Veranstaltungen durchführen. Auch das innerverbandliche Interesse an den Materialien zur Feuerwehr-Jahresaktion „Frauen am Zug“, noch vor dem offiziellen Start heute, hat unsere Erwartungen übertroffen. Und Bundesministerin von der Leyen hat es sich nicht nehmen lassen, die Kampagne der Hauptstadtpresse vorzustellen. Herzlichen Dank für die wie immer unkomplizierte Unterstützung der Berliner Feuerwehr dabei, Herr Gräfling!

Unser Projekt für eine bessere Integration von Migrantinnen und Migranten, das von der EU im Leonardo-Programm gefördert wird, geht in die Zielgerade. Es wird im Herbst mit einem internationalen Workshop in Berlin abgeschlossen und den Feuerwehren auch für dieses Thema praxistaugliches Material und Konzepte für die Ausbildung an die Hand geben. Der Projektträger hat uns wegen der guten Erfahrungen eingeladen, an einem Folgeprojekt mitzuwirken. Der Antrag dafür ist gestellt.

Wir haben uns in der Facharbeit unter anderem ausführlich mit den Unsicherheiten zur thermischen Belastungsfähigkeit von Atemschutzgeräten befasst – ein Thema, das viele Verantwortliche in den Feuerwehren bewegt. Klar ist, dass es hier schnell verbindliche und praxistaugliche Aussagen geben muss. Deshalb hoffen wir, dass die vom Ausschuss Feuerwehrangelegenheiten, Katastrophenschutz und zivile Verteidigung der Innenministerkonferenz angeschobene und von uns ausdrücklich unterstützte Studie rasch zu Ergebnissen kommt. Bei dieser Gelegenheit möchte ich den neuen AFKzV-Vorsitzenden Herrn Milberg in dieser Funktion erstmals bei einer Delegiertenversammlung begrüßen! Der Deutsche Feuerwehrverband bekennt sich weiterhin zu einer konstruktiven, engen Zusammenarbeit mit dem AFKzV.

Wir verfolgen weiter intensiv die Möglichkeit, Rauchmelder auch zur Warnung der Bevölkerung im Katastrophenfall einzusetzen. Dieser Weckeffekt ist wichtig, um das aufgegebene Sirenennetz zeitgemäß zu ersetzen. Dieses Konzept würde sich lückenlos in die Rauchmeldergesetzgebungen der Länder einfügen lassen.

Wir haben das nächste Forum Brandschutzerziehung und -aufklärung vorbereitet, das am zweiten November-Wochenende in Aachen stattfindet, und wir haben bundesweit eine Kooperation mit dem Fernsehsender Super RTL und dem Unternehmen Galeria Kaufhof erreicht. Mit der Kinderpuppe „Feuerwehrmann Sam“ wollen wir brandschutzgerechtes Verhalten in die Kinderzimmer transportieren und die Begeisterung für die Jugendfeuerwehren wecken. Dahinter steckt unendlich viel ehrenamtliche Arbeit, für die ich dem „Sam“-Team danke!

Der Beirat des Deutschen Feuerwehrverbandes hat sich bei seiner diesjährigen Tagung in Berlin ebenfalls mit dem Thema Rauchwarnmelder und mit der Feuerwehr-Jahresaktion befasst, er hat Impulse und Hilfestellungen gegeben. Der Förderkreis hat uns großzügige Unterstützung zur Haushaltsdeckung gewährt und weitere zugesagt. Alle Mittel werden transparent über den Haushalt abgewickelt.

Ein Wort zur finanziellen Situation unseres Verbandes sei mir an dieser Stelle erlaubt: Die Konsolidierung beider Teilgeschäftsbereiche ist nachhaltig gelungen. Wir schreiben auch bei der Deutschen Jugendfeuerwehr wieder durchgängig schwarze Zahlen, und wir haben angemessene, zweckgebundene Rücklagen für die finanziel¬len Herausforderungen der kommenden Jahre gebildet – ich nenne beispielhaft den 28. Deutschen Feuerwehrtag, für den wir uns derzeit auch um namhafte Projektförderungen beim Freistaat Sachsen und der Stadt Leipzig bemühen.

Dank Unterstützung aus der Wirtschaft, durch unsere Fördermitglieder sowie durch die Kostenerstattungen im Zweckbetrieb konnten wir den Finanzierungsanteil durch Beiträge der Ordentlichen Mitglieder im Gesamthaushalt 2006 von DFV und DJF auf gut 50 Prozent reduzieren. Fast jeder zweite Euro für unsere Arbeit kommt also von Dritten. Das ist auch eine große Entlastung unserer Mitgliedsorganisationen und sichert trotz allgemein angespannter Haushaltslage die Durchführung unserer gemeinnützigen Aufgaben. Deshalb gilt hier noch einmal mein Dank allen, die uns in so hervorragender Weise unterstützt haben!

Geld und Aufgaben können nie voneinander getrennt betrachtet werden. Bei den Erörterungen zur neuen Beitrags- und Finanzierungsordnung hat der Präsidialrat auch die Frage gestellt, wie sich der DFV in der Zukunft positioniert. Ich komme noch einmal auf den Beginn meiner Rede zurück: Gute Nachrichten können schnell den Blick auf das Notwendige verstellen. Auch hier geht es völlig richtig darum, die Zukunft zu gestalten.

Das Präsidium und eine Arbeitsgruppe zur Magdeburger Erklärung haben die Zeit seit der letzten Delegiertenversammlung genutzt, um den Feuerwehren und ihrem nationalen Dachverband auch strukturell neue Impulse zu geben.

Die Magdeburger Erklärung enthält Zukunftsthesen zum Feuerwehrwesen, die von einer DFV-Arbeitsgruppe unter besonderer Berücksichtigung des Aspektes Ehrenamt eingeordnet und weiterentwickelt wurden. Wir wollen unsere Stellungnahme öffentlich breit diskutieren lassen, und wir wollen sie zu einem Thema eines Zukunftswork¬shops machen, den der DFV vom 8. bis 10. Februar kommenden Jahres in Berlin plant.

Dort und in unseren Gremien möchten wir mit Vertretern unserer Mitgliedsorganisationen sowie mit interessierten Teilnehmerinnen und Teilnehmern auch einen Leitbildentwurf für den Deutschen Feuerwehrverband diskutieren, den das Präsidium in einer Klausurtagung entworfen hat. Wir knüpfen damit an den Wunsch aus dem Präsidialrat an, das verbandliche Profil besser zu schärfen. Wir wollen unser Selbstverständnis und unseren Handlungsrahmen formulieren und damit den nicht zu Ende geführten Diskussionsprozess zum Positionspapier „Aufgaben und Ziele“ Ende der 90er zu einem geregelten Abschluss bringen.

Unseren Leitbildentwurf haben wir „Zehn Thesen für eine sichere Zukunft genannt“. Zentrale Bestandteile sind die föderale Struktur und der Solidaritätsgedanke. Diese beiden Grundfesten machen den Deutschen Feuerwehrverband zu einem schlagkräftigen Akteur für die Sicherheitsinteressen der Bürgerinnen und Bürger.

Unsere Mission lautet: Der DFV arbeitet für zukunftsfähige Rahmenbedingungen, um ein verlässliches System schneller und kompetenter Hilfe in Deutschland zu sichern.

Auch diese Thesen wollen wir, wie gesagt, beim Zukunftskongress erörtern, und wir stellen sie nach dieser Delegiertenversammlung zur innerverbandlichen Diskussion.

Unser Zielfoto, wie man neudeutsch sagt, ist die Verabschiedung eines wegweisenden Zukunftspaketes an Beschlüssen und Positionen bei der 55. Delegiertenversammlung im Mai kommenden Jahres in Fulda – eines Zukunftspaketes, das breite Akzeptanz finden und uns als Vision für die Verbandsarbeit bis ins Jahr 2020 dienen soll.

Erfolg, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kameradinnen und Kameraden, Erfolg erreichen wir nur durch entschlossenes Handeln und durch Geschlossenheit. Es ist unsere ureigenste Aufgabe, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen und zu gestalten. Es ist nicht unsere Aufgabe, Entscheidungen Außenstehenden zu überlassen.

Staatliche Institutionen können uns bei der Vertretung unserer ureigenen Interessen im Grundsatz nicht weiterhelfen. Das gilt für die Zukunft unseres auf bürgerschaftlichem Engagement basierenden Gefahrenabwehrsystems ebenso wie für innerverbandliche Auseinandersetzungen. Bitte bedenken Sie dies auch bei den anstehenden Entscheidungen im verbandlichen Teil dieser Versammlung.

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kameradinnen und Kameraden,

der beste Weg, die Zukunft vorauszusagen, ist, sie zu gestalten. Lassen Sie uns offensiv und offen für Ideen handeln. Lassen sie uns geschlossen und solidarisch die Zukunft des Deutschen Feuerwehrverbandes und die Rahmenbedingungen für ein verlässliches System schneller und kompetenter Hilfe in Deutschland selbst gestalten!